Gras in Apotheken-Qualität, günstiger Preis. Wie die kleine Barbara-Apotheke in Landshut in wenigen Wochen zu einer der größten Cannabis-Versandapotheken in Deutschland wurde.
Noch vor Kurzem war die Barbara-Apotheke an der Landshuter Fliederstraße eine wie jede andere auch. Erkältungsmedikamente, Schmerzmittel, Blutdruckmedikamente - das war hier der Alltag. Seit einigen Monaten ist das anders in der Wolfgangsiedlung. Ein neongrünes Cannabisblatt im Schaufenster gibt einen Hinweis, worauf sich die Apotheke mittlerweile spezialisiert hat: Seit Juli gibt es hier "Gras", ganz legal, auf Rezept.
Viel wurde über die Cannabis-Legalisierung am 1. April berichtet und die Ablehnung der bayerischen Staatsregierung gegen das neue Cannabis-Gesetz. Während im Freistaat Bayern laut Gesundheitsministerium bis zum 11. Dezember noch keine Anbauvereinigung eine Erlaubnis erteilt bekommen hat und 28 Antragsteller immer noch auf ihre Genehmigung warten, wird die Regierung von der kommerziellen Realität eingeholt. Telemedizin-Portale und Versand-Apotheken wie in Landshut nutzen die neue Freizügigkeit im Umgang mit Cannabis jetzt aus.
Zu Besuch in der Wolfgangsiedlung: Nur die wenigsten Cannabis-Kunden schauen hier persönlich vorbei. Das Geschäft läuft online - und wie. "Das hat uns regelrecht überrollt", sagt Apothekerin Dr. Carola Schmid und fügt hinzu: "Mittlerweile sind wir eine der größten Cannabis-Versandapotheken in Deutschland." In vier Monaten hat "Cannabis für mich", wie der Online-Shop der Apotheke heißt, 10 000 Päckchen versandt.
Möglich gemacht hat das Geschäft mit den berauschenden Blüten die Legalisierung am 1. April 2024. Seitdem ist Cannabis offiziell kein Betäubungsmittel mehr. Drei Pflanzen darf jeder Volljährige zu Hause haben. Clubs wurden als Abgabestellen zugelassen. Mit dem, was jetzt im Kellerraum unter der Apotheke in der Wolfgangsiedlung passiert, hat das alles aber nicht ansatzweise zu tun.
Kontrollierte Qualität zum günstigen Preis
Was hier passiert, ist hochprofessionell. Zehn Arbeitsplätze sind dort in den vergangenen Wochen entstanden. Über 150 bis 200 Cannabis-Sorten lagern hier ständig in Kunststoffbehältern. In neonhellem Licht arbeiten ausgebildete Pharmazeuten in weißen Kitteln, mit Laborhaarnetzen und -handschuhen, an Arbeitsplätzen mit Bildschirmen und Mikroskopen. Hier kommen die Rezeptbestellungen an. Die Qualität des Cannabis, das von Herstellern aus der ganzen Welt stammt, wird akribisch geprüft, protokolliert, abgewogen, verpackt und versendet. "Unser Renner ist momentan ,Big Buddha' von Canify", sagt Carola Schmid und öffnet eine der weißen Dosen.
Die ist voll mit intensiv riechenden grünen Blüten aus Uruguay. Ihr Wirkstoffgehalt, verspricht die Beschreibung im Online-Shop der Apotheke, liegt bei 18 Prozent THC. Auf Lager sind aber auch Produkte mit wesentlich mehr Umdrehungen. Auf Herstellerangaben allein verlässt sich die Apotheke bei diesen Angaben nicht. Der Grund: "Sobald wir eine der Dosen öffnen und das Cannabis individuell für den Patienten verpacken, wird es rein rechtlich ein Rezeptur-Arzneimittel. Wir gehen damit in die Herstellerhaftung", sagt Schmid. Überhaupt schauen die Behörden ganz genau hin, was hier passiert. Eine Genehmigung für das Labor zu bekommen, war trotz gelockerter Cannabis-Regeln ein zäher Prozess. "Ordnungsamt, Pharmazierat, Gesundheitsamt, die waren alle da", sagt die Apothekerin. Unter anderem musste eine spezielle Lüftungsanlage eingebaut werden. Jetzt allerdings läuft der Versand auf vollen Touren. Was über den Online-Shop legal in den Verkauf geht, ist mit wissenschaftlicher Gründlichkeit geprüft worden. "Das macht es auch viel sicherer als Ware vom Schwarzmarkt", sagt die Apothekerin. Durch die großen Chargen im Einkauf kann sie ihre Ware zudem äußerst günstig anbieten. 3,99 Euro pro Gramm kostet aktuell der Top-Seller. Zum Vergleich: Auf der Straße wären dafür locker zehn Euro fällig. Jedenfalls war das früher so.
Vom Schwarzmarkt in die Apotheken
Dass die Qualität der Ware stimmt, dafür ist in der Barbara-Apotheke der 19-jährige Timon Faber zuständig. Er ist ein Glücksgriff für Carola Schmid. Denn der Oberbayer bringt Erfahrung aus einer Cannabis-Apotheke und damit viel Wissen mit. Das macht sich jetzt, nach der Cannabis-Legalisierung, bezahlt. Der Pharmazeutisch-Technische Assistent (PTA) weiß, worauf es ankommt, prüft die Ware "makroskopisch und mikroskopisch" und checkt den THC-Gehalt. Alles vermerkt er penibel in Prüfprotokollen.
Worauf Carola Schmid stolz ist: "Bei 10 000 Bestellungen hat es nicht eine Reklamation wegen unerwünschter Nebenwirkungen gegeben." Bei "normalen" Medikamenten sei das oft anders. Dass das Geschäft mit dem Gras aus der Apotheke boomt, das hat vor allem mit den Möglichkeiten der Telemedizin zu tun. Durch Corona-Pandemie und Arztnotstand auf dem Land hat die in den vergangenen Jahren einen kräftigen Schub bekommen. Online-Rezepte und deren Einlösung bei digitalen Apotheken gehören längst zum Alltag.
In Kombination mit der Cannabis-Legalisierung entstand dadurch ein völlig neues Geschäftsmodell. Andere Apotheken, auch in Landshut und in anderen Städten, sind ebenfalls auf den Cannabis-Zug aufgesprungen. "Gras" kommt jetzt nicht mehr vom Dealer, sondern nach nur wenigen Klicks ganz legal auf Rezept per Paketbote. Das Schwarzmarktgeschäft, es wandert durch die Cannabis-Legalisierung ab in die Apotheken. Zwar prüfen echte Ärzte auf Portalen wie "CannGo" oder "DoktorABC" die Wünsche der "Patienten". Das alles geht aber in Windeseile mit ein paar Klicks und ohne körperliche Untersuchung. Nur ein paar Fragen müssen für eine Verordnung gegen Gebühr beantwortet werden. Auch wenn die gesetzliche Obergrenze von 100 Gramm seit der Gesetzesänderung nicht mehr existiert, orientieren sich die Ärzte an den bisherigen Empfehlungen für die maximale Tagesdosis. Die liegt bei drei Gramm.
"Sind dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kind"
Das ergibt einen monatlichen Verbrauch von etwa 90 Gramm und entspricht somit annähernd der früheren Obergrenze von 100 Gramm. So eine Menge kann der Durchschnittsverbraucher nur schwer konsumieren. Viele der Online-Rezepte, die direkt an die Apotheken gehen, sind deshalb auch niedriger dosiert. Schmid: "Es gibt auch Kunden, die wollen die verordnete Menge gar nicht komplett in Anspruch nehmen."
Möglich ist diese Verordnungspraxis auch, weil die meisten Konsumenten das "Cannabis zum Verdampfen" aus der eigenen Tasche bezahlen. Wer es aus gesundheitlichen Gründen von der Krankenkasse erstattet haben will, der muss zu einem spezialisierten Arzt. Die Blüten mit der beruhigenden, schlaffördernden und schmerzlindernden Wirkung werden von dem aber nur verschrieben, wenn kein anderes Medikament mehr hilft. In 95 Prozent der Fälle seien es keine Krankenkassen-Rezepte, die in der Barbara-Apotheke ankommen, sagt Schmid.
Geplant hatte sie ihr neues Geschäftsmodell, das mittlerweile einen stattlichen Anteil am Apothekenumsatz ausmacht, übrigens nicht. "Wir sind dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kind", erzählt sie. Nach der Legalisierung habe ihr Sohn Sascha, er studiert ebenfalls Pharmazie und hilft in der Apotheke mit, bemerkt, dass immer häufiger Cannabis-Rezepte im Posteingang des Online-Shops auftauchten. "Anfangs war es nur eines am Tag. Dann wurden es immer mehr", so die Apothekerin. Die Konsumenten hatten in den medizinischen Online-Plattformen die Barbara-Apotheke als Abholort angegeben. Weil es offensichtlich großen Bedarf an Gras in pharmazeutischer Qualität gab, "haben wir dann einen Cannabis-Shop in unseren Online-Shop integriert", erzählt Schmid. Telemedizin-Anbieter wurden auf die Barbara-Apotheke in der Wolfgangsiedlung aufmerksam, listeten sie auf ihren Seiten, ein Netzwerk entstand - und der Grasverkauf nahm rasant Fahrt auf.
Eine "Win-Win-Situation für alle Beteiligten", ist Schmid überzeugt. Sie selbst konsumiert übrigens kein Cannabis.
Gras auf Rezept: Das sagt der Staatsanwalt
Ein paar Klicks und schon gibt es Gras auf Rezept. Seit Cannabis nicht länger als Betäubungsmittel eingestuft wird, ist das ganz legal. Und es ist damit zu einem lukrativen Geschäftsmodell für Versandapotheken und Telemedizin-Portale geworden. Das wohl größte juristische Risiko trägt, wenn überhaupt, der Konsument. Auf Anfrage unserer Mediengruppe erklärt die Staatsanwaltschaft Landshut: „Gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 Medizinal-Cannabisgesetz wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen eine ärztliche Verschreibung von Cannabis zu medizinischen Zwecken zu erlangen.“ Laut dem neuen Gesetz dürften Ärzte seit dem ersten April 2024 Cannabis zu medizinischen Zwecken verschreiben und Apotheken dürfen es ausgeben. Bis zu besagter Gesetzesänderung sei eine Verschreibung von Betäubungsmitteln dagegen nur unter strengen Voraussetzungen zulässig gewesen. „Insbesondere war eine Verschreibung nur zulässig, wenn das Behandlungsziel nicht auch durch anderweitige (weniger eingriffsintensive) Behandlungsmethoden zu erreichen war.“ Was die Staatsanwaltschaft von der Änderung hält? Die nüchterne Antwort: „Die Änderung dieser Handhabung ist eine Entscheidung des Gesetzgebers. Es ist nicht Aufgabe einer Staatsanwaltschaft, diese Entscheidung zu bewerten.“
Gerne steht Ihnen der gesamte Zeitungsartikel als kostenfreier PDF-Download zur Verfügung oder Sie können den gesamten Artikel direkt bei idowa mit dem nachstehenden Button einsehen.
Autor: Alexander Schmid
Quelle: Cl. Attenkofer'sche Buch- und Kunstdruckerei Verlagsbuchhandlung Straubing KG (genehmigte Veröffentlichung & Nutzung des Artikels)